1797 Augustin Fangé Buch "Geschichte des männlichen Barts unter allen Völkern der Erde bis auf die neueste Zeit (Für Freunde der Sitten und Völkerkunde)"/Neuntes Kapitel

Aus Mikiwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Von dem Bart der Geistlichen

I. Tragen alle Geistlichen einen Bart?
II. Sitte der Griechen und Römer in diesem Punkt
III. Streit der Griechen und Orientaler in Absicht des Barts
IV. Apologie des Barts der Priester

I. Tragen alle Geistlichen einen Bart?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Geistlichkeit in der Art, den Bart zu tragen, oder ihn zu rasiren, nach den Ländern und Orten richteten, wo sie sich befanden, und dass es in diesem Punkt zwischen Layen und Geistlichen keinen Unterschied gab; wenigstens findet man in den ersten sechs Jahrhunderten der Kirche keine Gesetze, welche dieses Unterschieds Erwähnung thäten. Die Ehrfurcht welche man in diesen ersten Zeiten für den Bart hegte, wo man ihn als einen Vorzug des Mannes, als ein Symbol der Weisheit und Majestät ansah, lässt glauben, dass die Geistlichen nicht daran gedacht haben, sich dieser Zierde der Natur, so lange als der Bart auf diesen Fuss betrachtet wurde, zu berauben. Es gibt in den gebräuchen, wie man mehr als einmahl bemerkt hat, Begriffe von Wohlstand, welche nach Verschiedenheit der Ideen und der Aufklärung unter den Menschen, oder auch nach blosser Laune derselben wechseln. Es darf daher gar nicht befremden, dass man bey der Geistlichkeit in Hinsicht des Barts dieselbe Bisarrerie und Verschiedenheit findet, die wir bey den weltlichen Ständen nahmhaft gemacht haben.

So lächerlich diese Bisarrerien in ihrer Quelle erscheinen, so bleibt es, wenn sie einmahl allgemeinen Eingang gefunden haben, für den vernünftigen Mann, der für keinen Sonderling angesehen seyn will, doch Pflicht, sich darnach zu bequemen; und es führt am Ende zu derselben Sonderbarkeit, die sie hervorbrachte, wenn man sich nach ihnen gar nicht fügt. Deshalb wage ich zu behaupten, dass die Geistlichkeit und selbst die Mönche Gründe hatten, die Gewohnheiten der Länder und Orte, wo sie sich befanden, in Absicht der angenommenen Sitte, sich den Bart wachsen zu lassen, oder ihn sich zu rasiren, je nachdem das eine oder das andere in dem Ort ihres Aufenthalts der Fall war, zu beobachten; eben so, wie auch jetzt die jungen geistlichen dasselbe thun und sich in dieser Hinsicht genau in ihrem Aeussern nach dem herrschenden Ton ihres Jahrhunderts darstellen, es müsste ihnen denn irgend eine Verordnung oder ein besonderes Gesetz die Verbindlichkeit eines andern Betragens auferlegen; und in der That wäre es eine affektirte Sonderbarkeit, wenn sich jemand in Absicht einer so gleichgültigen Sache von seinem Jahrhundert unterscheiden wollte.

II. Sitte der Griechischen und Orientalischen Priester

Gemäss der Sitte ihrer Nation, haben die Griechischen Priester und Mönche fast immer einstimmig einen Bart getragen. Der Cardinal Baronius (Tom. I Annal. p. 577, ad ann. 58) bemerkt sehr scharfsinnig, sie wären diesem Gebrauche gefolgt, weil die Juden und übrigen Orientaler, unter welchen sie lebten, insgesammt Bärte getragen hätten. Sie würden sich zu auffallend gemacht haben, wenn sie anders gehandelt hätten. St. Epiphanias tadelt die Ketzer zu Marseille heftig, dass sie ihren Bart sich abnähmen; er geht sogar so weit, dass er ihnen das Wort Gottes in den Apostolischen Geschichtsbüchern Buch I. Cap. 3, entgegensetzt, worin es mit ausdrücklichen Worten verboten ist, sich den Bart zu scheren. Von dem Bart sagt die Schrift in der Apostelgeschichte: "Verderbe dein Haar nicht," das heisst, "schneide dein Barthaar nicht ab, noch lass dich, nach Art der Buhlerinnen, wegen deines Haars loben." Was hier Epiphanias sagt, betrifft den Clerus und die Mönche seiner Zeit eben so gut, als die Layen.

III. Streit der Griechen und Lateiner wegen des Barts

Dieser Gebrauch, der an sich von geringer Bedeutung ist, wurde in der Folge der Gegenstand eines sehr ernsthaften Streits zwischen der Orientalischen und Occidentalischen Geistlichkeit. Die Griechen machten den Lateinern im neunten Jahrhundert als aus einer sehr taddelnswerthen Neuerung den Vorwurf, dass sie sich den Bart rasiren liessen. Dieser Tadel hatte keinen andern, als die ungerechteste Tadelsucht bey erstern zum Grunde, die sich auch auf die geringste Kleinigkeit erstreckte, worin die Lateiner von den Griechen abwichen. Michael Verularius, der Urheber des Schisma, und endlich der Patriarch Nectarius zu Jerusalem in seinem Buch gegen den Vorrang des Papsts, machen ihnen ein grosses Verbrechen daraus; obgleich die vernünftigsten und gemässigsten unter ihnen diese Sitte als eine sehr gleichgültige und des Anregens gar nicht werthe Sache ansahen. Deshalb schreibt Petrus der Patriarch von Antiochien an Michael Cerularius in folgenden Ausdrücken davon: was macht es denn aus, dass die Lateinischen Bischöffe ihren Bart abscheren, und dass sie Ringe tragen, zum Zeichen, dass sie ihre Kirchen als ihre Verlobten ansehen? *)

*) "Quid as nos, si Pontifices ipsorum Barbam radant, et, si in signum, ut dixisti, desponisationis cum sancta Dei Ecclesia, gerant annulum?" (Petri Antiocha Epist. ad Mich. Cerularium)

In der That konnte es wohl MIchael Cerularius unbekannt seyn, dass das Concilium in Trullo die Vorschriften der dritten Kirchenversammlung zu Carthago gebilligt hatte, und worin es den Geistlichen mit ausdrücklichen Worten verboten ist, "sich ihr Kopfhaar und ihren Bart wachsen zu lassen *)." Ratramnus, ein Mönch zu Corbin, lässt in dem Werke, das er zur Widerlegung der Vorwürfe der Griechen schrieb, das Lächerliche ihnen empfinden, das sie dadurch auf sich fallen liessen, dass sie den Lateinern einen Vorwurf daraus machten, in rasirtem Bart und abgeschnittenem Kopfhaar zu gehen; da diese Sitte, wie ihr Gegentheil ganz gleichgültig sey, und da beydes einem jeden von der Schrift frey gestellt würde. In der That rasirten sich die Nazarener Kopf und Bart, nachdem sie die Zeit des Stands eines Nazareners ausgehalten hatten und sie warfen die Haare in das Feuer des Opfers, das sie darbrachten, wie man aus Ezechiel sieht. "Und du, Menschenkind, nimm ein scharfschneidendes Schwerdt, das Haare durchschneidet; nimmes und führe es über deinen Kopf und deinen Bart." (Ezech. I, 1) Handedln die Griechischen Priester nicht selbst gegen die Befehle des Apostels, welcher will, dass sich alle Männer die Haare scheren sollen? (I. Cor. 7). Ratramnus bemerkt, dass die Sitte, sich Bart und Kopfhaar zu scheren, zu seiner Zeit, unter der abendländischen Klerisey allgemein war; und das ging so weit, dass die geistliche Krone nur ein Büschel Haare war; dass ihre Kleider nicht einerley Form bey allen öffentlichen christlichen Gesellschaft gehabt haben; dass aber diese Verschiedenheit keine Spaltung, weder im Orient noch im Occident je verursacht habe. (Ratamn. Corb. c. 4 gegen die Einwürfe der Griechen) Eneas, Bischof zu Paris bedient sich in seiner Abhandlung gegen die Griechen, die um dieselbe Zeit geschrieben ist, fast derselben Gründe, die Ratramnus anwendete, um die Sitte, den Bart zu rasiren, welche die Priester der Römischen Kirche eingeführt hatten, zu rechtfertigen.

Clericus nec comam nutriat, nec barbam.

Wir haben schon bemerkt, dass sich die alten Römer den Bart scheren liessen, und dass ihn nur die Philosophen nach Art der Griechen, oder vielmehr aus Eitelkeit, als aus irgend einem andern Grunde beybehielten. Es ist bekannt, dass man es dem Cyniker Maximus, welcher sich des Sitzes zu Konstantinopel zum Nachtheil des heiligen Gregorius von Nazianze bemächtigt hatte, verwiess, dass er einen grossen Bart nach Art der Philosophen zu tragen affectirte. Es scheint sogar, dass es zu Antiochien im vierten Jahrhunderte Sitte gewesen sey, sich den Bart zu scheren, wie die Vorwürfe und beissenden Bemerkungen bezeugen, welche die Bewohner dieser grossen Stadt sich gegen den Kaiser Julian erlaubten, und welche ihm Gelegenheit gaben, sein Buch: der Bartfeind betitelt (oder Misopogon) gegen sie zu schreiben. Man kann daraus schliessen, dass die Orientaler in frühern Zeiten in Absicht dieses Punkts mit den Lateinern übereinstimmten, und man seiht daraus, wie wenig Grund die Erstern hatten, den Occidentalern aus der Gewohnheit, sich den Bart scheren zu lassen, die sie bey sich eingeführt hatten, ein Verbrechen zu machen. - Diese Streitigkeit der Griechen und Lateiner in Absicht des Barts war übrigens von keinen Folgen, und sie verhinderte die Geistlichkeit beyder Nationen nicht, dass jede nicht ihrer Sitte ergeben geblieben wäre.

Es scheint sogar, dass die Lateiner seit dem Schisma der Griechen, um sich von selbigen zu unterscheiden, bey sich die Sitte allgemein gemacht haben, sich ihre Bärte abzunehmen. Es gibt sogar noch Verordnungen wegen der "Schur des Barts". Man hat sich dadurch den apostolischen Zeiten wieder zu nähern geglaubt. Die Griechen haben im Gegentheil die Parthey der grossen Bärte mit grosser Wärme genommen. Sie konnten in den abendländischen Kirchen keine Heiligen sehen, die keinen Bart hatten.

IV. Sitte der Lateinischen Geistlichkeit in Absicht des Barts

Bey dem abendländischen Clerus war die Art, wie man den Bart trug, von jener der morgenländischen Klerisey ganz verschieden. Bald fand man, es verrieth Weichlichkeit, sich den Bart scheren zu lassen, und lange Bärte entsprächen der priesterlichen Würde besser; bald sah man die Sache wieder von der entgegengesetzten Seite an, und glaubte, ihr sonst so ehrwürdiger Bart verrieth Stolz.

Der Pater du Moulinet bemerkt in seiner Geschichte der souverainen Päpste über die Medaillen Papst Clemens des Siebenden, er sey der erste Papst gewesen, den man kennt, welcher einen Bart getragen habe; er habe es nämlich im Gefängniss, worin er fünf Monate gewesen sey, vernachlässigt, sich rasiren zu lassen, und da er sein Gefängniss mit einem langen Bart verlassen habe, so habe er ihn dann für immer getragen; und seine Nachfolger haben diess eine Zeit lang nachgemacht.

Aber die Pater Henschenius und Papebroch sprechen hiervon in dem Prolyaeum vom Monat May Seite 209 weit bestimmter. Sie bemerken, dass Anastasius der Vierte der erste seines Jahrhunderts war, der sich den Bart scheren liess; dass ihn viele bis auf Julius den Zweyten nachahmten, welcher ihn wachsen liess; dass Anastasius gleichwohl der Erste nicht sey, der ihn sich habe rasiren lassen; dass sie vom Jahr 797 an fanden, dass Leo der Dritte einen rasirten Bart getragen habe; dass darauf, wo die Griechischen Kaiser keine Länder mehr in Italien besassen, der Papst diese Sitte derjenigen, welcher die Griechen treu blieben, und bey welchen noch heut zu Tage die Bischöffe und Mönche ihre Bärte mit grosser Sorgfalt beybehalten, vorgezogen habe; dass in der Folge, im Jahr 960 Johannes der Zwölfte wieder mit einem langen Barte erschien; dass diess gerade in den Zeitpunkt gefallen sey, wo Rom viel Rücksicht für die Deutschen Kaiser bezeugt habe, und diess habe vielleicht zu jener Veränderung die Veranlassung gegeben, indem sich die Deutsche Nation immer weit besorgter gezeigt habe, ihren Bart zu unterhalten, als die Französische.

Man begreift nicht, wie der Papst Gregorius der Siebende, da er an die Richter zu Calliari auf der Insel Sardinien im Jahr 1073 schrieb, und von Jacob sprach, den er zum Erzbischof von Cagliari eingeweiht hatte, nachdem er ihm vorher die Verbindlichkeit auferlegt hatte, sich seinen Bart zu beschneiden, wie, sag' ich, dieser Papst hat behaupten können, diess sey die Sitte der occidentalischen Kirche jeder Zeit gewesen, dass sich die Klerisey mit rasirtem Bart getragen hätte. "Gleichwie der Klerus der ganzen abendländischen Kirche vom Anfange des christlichen Glaubens an die Sitte des Bartscherens behauptet hat, so soll ihn auch unser Bruder, Euere Erz-Bischoff sich rasiren." (Gregor. VII. lib. 8, ep. 10) Es ist vielmehr gewiss, dass lange Zeit vor diesem Papst diese Sitte nichts weniger, als gleichförmig im Occident angenommen war. Das vierte Concilium zu Karthago, das 398 gehalten wurde, verbietet den Geistlichen, ihr Haupthaar wachsen zu lassen, und sich den Bart abzunehmen. "Der Geistliche soll weder sein Kopfhaar nähren, noch seinen Bart scheren", lauten die Worte des Conciliums.

Diese Verordnungen und einige andere scheinen bey Gelegenheit der Messalier und einiger anderer ähnlicher Ketzer, welche die guten Sitten, die Arbeit der Hände, die Heyrath verdammten, und lange Haare und prächtige Kleider nach Art der Frauenzimmer trugen, erlassen zu seyn. Man sieht aus dieser Verordnung, dass weder der heilige Augustin, noch die Geistlichen, noch selbst die Mönche in Afrika lange Bärte trugen; denn die Mönche dieses Landes waren damals der Clerisey beygesellt, und führten gleichen Namen mit ihr.

Sidonius von Apollonien bezeugt, dass die Geistlichen zu seiner Zeit, das heisst im fünften Jahrhundert in Gallien und fast im ganzen Occident langen Bart und kurze Kopfhaare (coma brevis, Barba promissa) getragen haben. Vielleicht hat Gregorius der Siebende an besagter Stelle nur von der Römischen Geistlichkeit und von der Geistlichkeit in den umliegenden Gegenden Roms, welche sich den Bart scheren liessen, sprechen wollen. Wie dem auch sey; genug, dieser Papst erliess sehr strenge Befehle an den Bischoff zu Cagliari, um ihm die Abnahme des Barts bey seinen untergebenen Geistlichen zur Vollziehung einzuschärfen. Aus Furcht, seine Befehle möchten schlecht respectirt worden sseyn, schrieb er 1082 an den Herzog von Sardinien, um ihm deshalb dringende Vorstellungen zu thun, und es ihm zur Pflicht zu machen, sich mit dem Bischoff zu Cagliari zu vereinigen, um an einem so verdienstlichen Werke gemeinschaftlich zu arbeiten.

Bald darauf änderte sich dieser Gebrauch. St. Peter Damien, der in demselben Jahrhunderte mit Gregorius dem Siebenden lebte, belehrt uns, dass sich die Geistlichkeit rasiren liess. Wir haben weiter oben angeführt, dass derselbe Papst Gregorius der Siebende sechzig Diener des heiligen Petrus, die nur Layen, beweibt oder bekebsweibt waren, einen rasirten Bart trugen, eine Mütze auf dem Kopf hatten und sich deshalb für Priester-Cardinäle ausgaben, vertrieb. Einen rasirten Bart tragen, hiess also damahls so viel, als Priester seyn.

Man hat bemerken können, dass der Gebrauch der langen Bärte im zwölften Jahrhundert so allgemein geworden war, dass nur die Diener der Kirche sich rasiren liessen, und dass sogar mehrere behaupteten, die Layen begingen ein grosses Verbrechen, wenn sie sich den Bart abnehmen liessen. Ein Schriftsteller der damahligen Zeit erzählt in einem Bruchstück von einer Schrift, welches sich am Ende des Werks von Othlon, Mönch von dem heilg. Emmeran zu Regensburg, betitelt: über den geistlichen Lauf findet; dieser erzählt, ein Laye, den man des Diebstahls wegen angeklgt gehabt habe, sey genöthigt worden, sich durch die Probe mit kaltem Wasser, die damahls sehr üblich gewesen sey, von dieser Anschuldigung zu reinigen. Da er durch dieses Mittel seine Unschuld nicht habe darthun können, so habe er einen Geistlichen um Rath gefragt, welcher dann die Frage an ihn habe ergehen lassen, ob er sich eines Verbrechens schuldig wüsste, wodurch er sich diese Ungnade zugezogen, und dessen er sich nicht durch ein Geständniss angeklagt hätte? Er habe darauf geantwortet, dass er keines wüsste. Darauf habe ihm der Priester erwiedert: wie wagt ihr es, zu behaupten, dass ihr euch keines sträflichen Vergehens schuldig fühltet, da ihr wirklich euch dadurch schuldig zeigt, dass ihr euch als ein Laye euren Bart habt rasiren lassen, welches nur Geistlichen zukommt; da ihr es dadurch noch mehr werdet, dass ihr es nicht bekannt habt, ob es gleich eine grosse Sünde ist, die ihr freylich selbst nicht kennt, die euch aber demungeachtet diesen traurigen Zufall zuzieht *).

*) Tunc ille Clericus: quomodo, inquit, hoc potest verum esse, cum peccatum magnum in te videam, quod nec confitendo nobis prodidisti, nec peccatum esse credis; laicus namque cum fis, et picta morem Laicorum barba minime vasa incedere deberes; tu, e contra, divinae legis contemtor, quasi Clericus, barbam tuam rasisti? (Bern. Pez. Thesaur. Anect. Tom. III, part. 3, pag. 399)

Der Verfasser fährt fort: nachdem der Laye versprochen gehabt habe, sich den Bart nicht mehr rasiren zu lassen, habe er sich von neuem der Kaltenwasserprobe unterworfen, die ihm auch geglückt sey, worauf man ihn von dem angeschuldigten Verbrechen freygesprochen habe; und diess, sagt der Verfasser, rechtfertigt die damahls übliche Gewohnheit, welche den Layen verbot, sich den Bart scheren zu lassen. Es trat aber einige Zeit darauf gleichwohl der Fall wieder ein, dass dieser Laye sein Versprechen vergass, und sich den Bart wieder abnehmen liess; aber dafür erfuhr er auch, sagt man, alsbald die Wirkung der göttlichen Rache; denn er wurde von seinen Feinden gerangen genommen, und sie stachen ihm die Augen aus (?)!

Niemand wird freylich an die Wahrheit dessen glauben, was der gute Geistliche sagt, niemand wird sich von der vorgeblichen Sünde des Layen, die er gutmüthiger Weise für wahr hält; noch von der dabey obwaltenden Rache des Himmels überzeugen können; aber wenigstens lässt uns diese Erzählung doch deutlich sehen, dass im eilften Jahrhundert bey den Layen im Ganzen die Sitte Statt fand, den Bart unbeschnitten zu tragen, und dass die Klerisey nur davon eine Ausnahme machte und sich ihn rasiren liess.

Während des Schisma's, welches sich in der Kirche bey Gelegenheit der Investituren ereignete, wurden die Sachen so weit getrieben, dass, wenn die Anhänger des Kaisers einen Geistlichen oder einen Mönch mit rasirtem Bart antrafen, so wie es die damahlige Sitte mit sich brachte, sie ihn beleidigten und misshandelten. "Wenn einem Anhänger des Kaisers von ungefähr ein Geistlicher in den Wurf kam, der vielleicht aus Liebe zu dem himmlischen Vaterlande die Sitten des Jahrhunderts nicht streng beobachtete, oder den Bart zum zeichen seiner Religiosität abgeschnitten trug, so thaten sie ihm als einem Feind der königlichen Ehre allen Schimpf an und nannten sie verächtlicher Weise Kirchenleute." (S. Hist. Trevior. 59 Specil., Tom. XII)

Um in Absicht des Barts einige Gleichförmigkeit unter die Glieder der Kirche zu bringen, hatten deshalb einige Concilia Verordnungen getroffen. Das Concilium zu Bourges verordnete allen denen, welche sich dem Dienst der Kirche gewidmet hatten, sich den Bart rasiren zu lassen. "Damit Archidiakoni, Aebte, Präpositi, und alle diejenigen, die in der heiligen Kirche einen Dienst zu versehen haben, die kirchliche Tonsur, das heisst einen rasirten Bart und eine Krone auf dem Kopfe erhalten." (S. Tom 9, Concil. Labb. p. 866) Das Concilium zu Limoges von demselben Jahre schrieb dasselbe vor. Andere Kirchenversammlungen, die in diesem und dem folgenden Jahrhunderte gehalten wurden, machten ähnliche Verordnungen bekannt.

Es scheint, dass diese Verordnungen nicht lange befolgt worden seyen, und dass es die Geistlichen nicht räthlich gefunden haben, sich darnach zu bequemen, weil man sie von Zeit zu Zeit wieder erneuern musste. Eine Provinzial-Synode zu Paris vom Jahr 1335 verbietet unter andern bey Strafe der Suspension und sogar der Excommunikation jeden Geistlichen, sich den Bart wachsen zu lassen. "Gleichfalls ermahnen wir ein für alle Mahle und aus Ursache alle Geistlichen, welche sich unter den schirmenden Flügeln der Kirche befinden und zu unserer Diöces gehören, die langen Haare und Bärte abzulegen." (Marten, Ampliss. Collect. Tom. VII, p. 1289) Peter Benedict, Bischof zu St. Malo hatte einige Mühe, die Hartnäckigkeit der mehresten Geistlichen seiner Diöces in Absicht dieses Punkts zu besiegen. Er sah sich 1370 gezwungen, in seinen synodalischen Satatuten seinem Klerus das Tragen langer Bärte und abfallender Knebelbärte zu verbieten.

Die Sitte, sich den Bart zu rasiren, war unter der Engländischen Geistlichkeit nicht weniger, als unter der Französischen allgemein geworden. Wilhelm von Malmesbury erzählt in seiner Geschichte der Englischen Könige, die Spione, welche der König Harald in das Lager Wilhelms des Bastards, Herzogs der Normandie geschickt habe, wären mit dem Bericht wieder zu ihrem Könige gelangt: die Soldaten des Herzogs Wilhelm schienen alle Priester zu sey, denn sie trügen insgesammt rasirten Bart, und gingen sogar ohne Knebelbart. "Die von dem Englischen Könige Harald in das Lager Wilhelm des Unehlichen geschickten Kundschafter kamen alle mit der Nachricht zurück, sie sähen lauter Bischöffe in dieser Armee, denn sie trügen ihr ganzes Gesicht und beyde Lippen völlig rasirt." (Wilhelm. Malm. l. 3 de Gest. Reg. Angl.) Wir lernen aus dieser Stelle, dass man sich im eilften Jahrhundert in der ganzen Normandie, wie im ganzen übrigen Frankreich mit rasirtem Bart trug, und dass bey den Engländern gerade die entgegen gesetzte Sitte Statt fand.

Ungeachtet dieser Verordnungen der Concilien, welche den Geistlichen die Verbindlichkeit, sich den Bart scheren zu lassen, auflegten, war es gleichwohl in der Folge kein unerwarteter Anblick, wenn man Bischöffe und Priester sah, die sich ihre Bärte wachsen liessen. Die Geschichte liefert uns Beyspiele udnzwar sehr merkwürdige Beyspiele hiervon. Der Kardinal Bessarion, welcher 1472 starb, trug einen langen Bart, den er mit vieler Sorgfalt unterhielt. Man erzählt von ihm, dass er von Seiten des Papsts Sixtus des Vierten an den König Ludwig den Eilften als Gesandter geschickt worden sey, um einen Frieden zwischen diesem Prinzen und dem Herzog von Bourgogne zu vermitteln, und dass Bessarion, welcher gelaubt habe, der Herzog sey am wenigsten zu einer friedlichen Annäherung geneigt, es für zweckmässig gehalten habe, diesem sich zuerst vorstellen zu lassen; aber Ludwig der Eilfte habe diess, da er sich ihm zur Audienz genähert habe, sehr übel aufgenommen, habe die Hand an dessen grossen Bart gelegt, und ihm die Worte eines Grammatikers entgegen gerufen:

"Griechische Bärtlinge (Barbaren) wie sie die Natur einmal schuf, arten nicht aus."

Mehrere behaupten, diese Beschimpfung, die der Cardinal nicht habe verdauen können, wäre die Ursache seines Todes gewesen; aber es ist bloss Vermuthung, die auf keinem gewissen Grunde beruht. Nicolas Prevot, sein Secretär, versichert ausdrücklich in seiner Note zum fünfundzwanzigsten Epigramm im Ersten Buch des Martial, die Krankheit, an der Bessarion starb, sey ihm durch seinen Arzt verursacht worden.

Herr Pompejus Sarnelli, Bischoff zu *** bringt in seinen Briefen über Gegenstände der Kirche die Verordnungen bey, welche die Geistlichen dazu verbinden, sich den Bart ganz scheren zu lassen; und er bemerkt, dass die des Kardinal Bessarion ihn um den Päbstlichen Stuhl gebracht habe; denn die Kardinäle wären wegen der Affektation, vermöge welcher er seinen grossen Bart noch sorgfältig bewahrt habe, gegen ihn aufgebracht gewesen, und hätten ihn deshalb nicht zum Papst erwählt; und sie hätten diese Eigenheit ihm als eine fortdauernde Liebe für die Sitten der Griechen, die er dadurch zu rechtfertigen geschienen hätte, ausgelegt. Deshalb sagt der Cardinal von Avignon, indem er zu den andern Cardinälen spricht, folgende bedeutende Worte: "Wie? Bessarion will auf seinen Bart nicht Verzicht thun, und wir sollen ihn zu unserm Oberhaupte machen?" (Nondum barbat rasit Bessarion, et nostrum capus erit? Let Eccles. di Pompejo Sarnelli Ep. 12)

Im Jahr 1551 wurde Antonius Caraccioli zur Bischoffswürde zu Troies ernannt, da er aber einen langen Bart trug, machte das Capitel dieser Gemeinde Schwierigkeit, ihn aufzunehmen, so lange er nicht seinen Bart, wie es die Statuten der Diöces vorschrieben, rasirt hätte. Aber der König Friedrich der Zweyte erliess einen besondern Befehl an das Kapitel, um es dahin zu vermögen, dass es ihn mit seinem Bart aufnahm.

Königlicher Kabinettsbefehl

"Werthe und Vielgeliebte. Wir sind davon benachrichtigt, dass Ihr Schwierigkeiten macht, Unsern lieben und getreuen Oncle, Herrn Antonius von Caraccioli, Euern Bischoff, in Eure Kirche aufzunehmen, wenn er nicht zuvörderst seinen Bart, nach Maassgabe einiger Statuten, die Ihr die Gewohnheit habt, in solchem Fall zu beobachten, scheren lässt. In dieser Absicht haben wir geruhet, Euch gegenwärtiges zu schreiben, um Euch zu bitten, dass Ihr ihn deshalb nicht in seinen Gerechtsamen zurück setzt, sondern ihn, auf Unsere desfallsige Vergünstigung, von diesen Statuten für freygesprochen ansehen mögt; und das um so mehr, weil Wir beschlossen haben, ihn in kurzem an einen Ort ausserhalb des Königreichs zu senden, und zwar in Angelegenheiten, die Uns sehr am Herzen liegen, wo Wir nicht wünschten, dass er ohne seinen Bart erschien. In der Ueberzeugung, dass Ihr das thun werdet, wollen Wir gegenwärtiges Euch nicht noch weitläuftiger zu Gemüth führen, und euch nur noch zu wissen thun, dass Ihr Uns dadurch einen sehr angenehmen Dienst thun werdet, und so gehabt Euch denn wohl, Werthe und viel Geliebte, und der Himmel nehme Euch in seinen Schutz. Gegeben zu Fontainebleau den achtundzwanzigsten November 1551.

Heinrich."

Antonius Caraccioli trat sein Bisthum zu Troies noch den dreyzehnten December desselben Jahres an. Einige Zeit darauf verliess er die katholische Kirche, um sich mit den Neuerern zu verbinden. Er war zehn Jahr lang Bischoff zu Troies, halb Catholik, halb auf der Seite neuer Begriffe geneigt. Endlich nahm er 1562 seine Zuflucht zum Soldatenstand.

Eben so erliess Heinrich der Zweyte 1556 an die Domherren zu Orleans eine Kabinettsordre, worin ihnen der Regent anbefiehlt, Herrn von Morvilliers zum Bischoff anzunehmen, ob er gleich, sein Kinn ganz mit Haaren bedeckt, sich trug; sie sollten diesen Umstand als keinen Verstoss gegen die Gesetze ihres Kapitels ansehen, die einem Kanonikus zur Pflicht machen könnte, sich seinen Bart scheren zu lassen. Das Kapitel de Notre-Dame zu Paris bestand 1555 gleichfalls darauf, dass der neue Kanonikus Peter Lescot, der sich präsentirte, um sich installiren zu lassen, sich den Bart rasiren lassen müsste. Das Kapitel war lange unschlüssig, wie es sich in einer so delikaten Sache zu benehmen hätte; und die Aeltesten vom Kapitel willigten nicht ohne Schwierigkeit ein, dass man das Verdienst des Gegenstandes, dem zu Gefallen diess geschähe, in Erwägung gebracht, von der Strenge der weisen Einrichtungen der Kirche nachlasse, ohne dass selbigen jedoch dadurch Eintrag geschehen könnte.

Die Domherren zu Mons waren nicht so gefällig, als die zu Paris. Im Jahr 1556 stellte sich nämlich der Kardinal von Agennes vor, um von der Würde eines Bischoffs Besitz zu nehmen. Mehrere Domherren erklärten deshalb, ihr Gewissen erlaubete ihnen nicht, zu seiner Installirung vorzuschreiten; denn dieser Prälat that keineswegs auf seinen Bart Verzicht. Er wendete sich an den König Heinrich den Zweyten, der den Domherrn die Verbindlichkeit auflegte, ihn mit seinem Bart anzuerkennen. Der Kardinal schrieb an das Kapitel, und bat es, von seiner Forderung abzustehen. Vergeblicher Wahn! Das Kapitel fügte sich weder dem königlichen Befehl, noch gab es den Bitten des Prälaten Gehör. Durch einen Beschluss des Kapitels ward festgesetzt, dass man Ihro Majestät unterthänigst gebeten haben wollte, dass es Höchstdenselben gefallen möchte, "die Domherrn zu Mons, bey der Ausübung ihrer Constitutionsartikel, ihrer heiligen Dekrete, ihrer ältern Statuten, und löblichen Gewohnheiten, wie selbige jederzeit in ihrer Kirche zu Mons, deren Beschützer Höchstdieselben zu seyn geruhten, beobachtet worden wären, zu schützen und zu erhalten." Endlich erhielten sie einen königlichen Befehl unter Androhung höchster Ungnade im Uebertretungsfall, dass sie sich nicht dagegen sträuben sollten, ihren Bischof in ihre Kirche aufgenommen zu sehen, und zwar mit seinem Bart, und ohne auf seine Rasirung weiter anzutragen. Die Domherrn protestirten gegen diese gewaltsamen Maassregeln und fügten sich dem königlichen Willen.

Wilhelm Duprat, Sohn des Kardinal Duprat, der zum Bischoff von Clermont ernannt worden war, stellte sich mit seinem Bart am Kinn dar, um sich aufnehmen zu lassen. Wie sehr war er erstaunt, sich am Eingang der Kirche von dem Dechant in Begleitung der Domherrn Schermesser in einem silbernen Becken unter der Protestation darreichen zu sehen, sie würden ihn nicht eher aufnehmen und als ihren Bischoff begrüssen, bis er auf seinen Bart Verzicht geleistet hätte. Duprat überzeugt, dass ein Bart weniger, als eine Bischoffswürde werth sey, und dass es billig sey, die Vorurtheile der Menge zu respectiren, nimmt das dargebotne Instrument, und bringt grossmüthig das Opfer, das sein Clerus fordert.

Antonius von Crequi ward nnur unter der Bedingung zur Besitznahme der Bischoffswürde zu Amiens zugelassen, dass er ein königliches Patent von Carl dem Neunten, das den 13ten November 1564 von Marseille aus datirt war, und wodurch der König die Duldung des langen Barts, den der neue Bischoff trug, verlangte, aufzuzeigen hatte.

Zu den Zeiten des heiligen Carl Barromäus hatte die Sitte, lange Bärte zu tragen, so sehr unter der Geistlichkeit seiner Diöces zu Meyland und in den an die Hauptstadt grenzenden Kirchsprengeln um sich gegriffen, dass dieser heilige Erzbischoff sein Ansehn dem einreissenden Strom dieser Neuerung, die er für einen grossen Missbrauch hielt, entgegen setzen zu müssen glaubte. So erklärt er sich selbst hierüber in einem Briefe an Carl Franz Bonhomme, Bischoff von Verceil, seinen Freund, der sich bey ihm darüber beklagte, dass ihm eine ärgerliche Krankheit einen Theil seines langen Barts gekostet habe. Der heilige Carl schrieb ihm deshalb: "ich bedaure sie nicht nur deshalb, dass Sie einen Theil Ihres Barts durch Krankheit verlohren haben; ich würde im Gegentheil Ihr Schicksal beneiden, wenn Sie sich ganz und für immer davon befreyen könnten; denn ich bin einem Gesicht ohne Bart so gut, dass ich, gewohnt, meinen Bart oft zu rasiren, ihn nie um ein Beträchtliches empor schiessen lassen kann."

Derselbe Heilige beklagt sich noch, dass wenig Personen seinem Beyspiel folgten, und dass der entgegengesetzte Gebrauch durch das Beyspiel mehrerer durch ihren Charakter und ihren Verdienst achtungswerther Geistlichen immer mehr Eingang gewänn. Gleichwohl kam er zu seinem Zweck, den Bart im ganzen Umkreis seiner Diöces durch ein Dekret der fünften Mayländischen Kirchenversammlung zu unterdrücken, welches allen Geistlichen die Pflicht auferlegt, sich den Bart rasiren zu lassen. "Die Einrichtung des Bartscherens ist von den Vätern der Kirche auf der Versammlung zu Karthago feyerlich genehmigt, und wie man aus einer alten Handschrift des Papstes Gregor des Siebenden weiss, schon ehmals in jeder Kirche und auch in unser Ambrosianischen bis auf jetzige Zeiten (wie wir sehen) von den geistlichen Priestern, die auf die alte heilige Kirchenverordnung hielten, und endlich auch durch unsern schriftlichen Befehl wieder in Uebung und Thätigkeit gesetzt worden; und wir befehlen so hiermit, und machen es zur Pflicht, dass ein jeder Priester und Geistlicher, wess Ranges und Standes er auch sey, seinen Bart scheren lässt."

Indess billigte es der heilige Prälat nicht, dass man in dieser Hinsicht sich zu eifrig zeigte; denn da er vernahm, dass Cäsar Speciano, Bischoff von Cremona, sich strenger Maassregeln gegen diejenigen Geistlichen, die sich weigern würden, sich ihren Bart scheren zu lassen, bedienen wollte, und dass er sogar den heiligen Stuhl um ein Dekret anging, um sie dazu zu nöthigen, so schrieb ihm Karl, um ihm zu bedeuten, dass er sein Betragen nicht billigte. Hieraus kann man schliessen, dass der Eifer des Bischoffs zu Cremona für die Ausrottung der langen Bärte die Veranlassung zu der Apologie der Priesterbärte, die Pierius Valerianus schrieb, und auf die wir sogleich zu sprechen kommen werden, gegeben haben mag.

Man trug gleichwohl einen Knebelbart; und der heilige Carl verordnete auf mehrern Kirchenversammlungen, die er ausschrieb, dass man diese Knebelbärte abschneiden sollte, damit die Haare nicht in den Kelch tauchten, und das köstliche Blut aufzehrten. "Der Bart der Oberlippe soll so beschnitten werden, dass die Haare bey der heiligen Handlung der Messe, den Genuss des Leibes und Blutes Christi nicht beeinträchtigten." (Concil. Provinc. II, 2) Uebrigens will derselbe, dass sich die Geistlichkeit aller funfzehn Tage und noch öfter, wenn es nöthig sey, rasiren solle. Er machte es seinen Vicaren zum Gesetz, sich genau davon zu unterrichten, ob die Geistlichen seine Verordnungen im Betreff des Barts genau beobachteten. Er befahl, die Geistlichen, welche den Dienst mit einem langen Bart verrichten würden, sollten der Austheilungen, die zu dem Dienst gehörten, beraubt seyn.

Wir lernen aus dem Provinzialconcilium zu Benevent unter dem Erzbischoff Johann Baptist Foppa, welches 1656 gehalten wurde, dass die Geistlichen dieses Kirchsprengels noch lange vor dem letzten Jahrhundert einen Bart trugen; denn es wurde ihnen durch den siebzehnten Artikel dieses Conciliums aufgetragen, sich die Oberlippe oder den Knebelbart rasiren zu lassen, dergestalt, dass sie dem Genuss des Leibes und Bluts Christi kein Hinderniss in den Weg lege. "Damit die Geistlichen den Bart der Oberlippe dergestalt scheren, dass er denen, welche das heilige Sakrament des Leibes und Blutes Christi geniessen, nicht beschwerlich falle." Ernelph, Bischoff von Roff, gibt im zweyten Theil seiner Specilege de Dom Dacheri beynahe denselben Grund davon an, warum man zu seiner Zeit den Layen die Communion nicht unter der Gesatlt des Weins gab. "Es ist," sagt er, "so oft der Fall gewesen, dass Layen, die grösse Bärte und lange Knebelbärte tragen, wenn sie sich dem Kelch nähern, mit den Haaren ihres Barts das kostbare Blut berühren, ehe sie damit zu ihrem Munde gelangt sind." (Evenit enim frequenter, ut barbati et prolixos habentes granos (vulgo moustaches) dum poculum inter epulas sumunt, prius liquore pilos inficiant quam ore liquorem infundant.) - Man untersucht hier nicht den Grund, den der Bischoff von dem Verfahren gibt, dass man den Kelch den Layen entzog, untersucht nicht, ob er haltbar ist; genug, es bleibt immer wahr, dass noch 1656 die Geistlichkeit zu Benevent einen Bart trug, oder doch wenigstens einen Knebelbart: und diess kann man auch von den Layen dieses Kirchsprengels verischern, welche die Sitte der langen Bärte, die sie von den Lombarden, ihren Vorfahren, welche man dieser Mode sehr ergeben weiss, erhalten hatten, ungeachtet der Bemühungen des Kaiser Karlmann, sie davon abzubringen, aufrecht zu erhalten suchten.

Während die Kapitel von Domen es sich angelegen seyn liessen, ihren Bischöffen den Bart beschneiden zu lassen, war man in der Sorbonne darüber im Streit, weil man gern wissen wollte, ob es sich für einen Theologen schicke, an der äussersten Spitze des Kinns Haar zu tragen. Die Materie ward in den ersten Tagen des Julius 1561 in Untersuchung genommen, es ging dadurch ein Dekret hervor, wodurch entschieden ward, der Bart sey der Bescheidenheit zuwider, welche eine Haupttugend von einem Doktor der Theologie sey. "Die Baccaluereen können mit bedecktem Kopf in die Schule kommen und so wieder nach Hause gehen; aber sie müssen ihre Bärte aufgeben und mit geschornem Bart erscheinen; welches auch von unsern Magistern gilt; sie dürfen nicht mit bedecktem Kopf respondiren oder argumentiren, und müssen hierin die einem Theologen geziemende Bescheidenheit beobachten."

V. Apologie des Barts der Priester

Einige Personen von angesehenem Stand wollten im sechzehnten Jahrhundert den Papst dazu vermögen, ein, wie sie vorwendeten, in dieser Hinsicht ehemals durch ein altes Concilium (es war das vierte zu Carthago) erlassnes und von dem Papst Alexander dem Dritten bestätigtes Dekret zu erneuern, wodurch den Priestern verboten wurde, einen langen Bart zu tragen. Diese wahre oder falsche Neuigkeit schlug Lerm. Johann Pierius Valerianus, gebürtig von Belluno in der Mark Trevisano, wollte der traurigen Begebenheit, welche die Bärte bedrohte, zuvorkommen, und unternahm es, in einem kleinen lateinischen, sehr artig und lebhaft geschriebenen Werke, worin man sehr sonderbare Dinge über diese Materie findet, den Bärten der Priester eine Standrede zu halten. Diese Schrift, welche dem Cardinal von Medicis zugeeignet ist, führt den Titel: pro Scerdotum Barbis Defensio (Vertheidigung der Bärte der Priester), zum ersten Mahl zu Rom 1531 in 8. und hierauf mehrere Mahle anderwärts gedruckt. Man legte sie 1639 zu Leyden, begleitet von Musonius, einem Griechischen Schriftsteller und von Hospiman, über das Rasiren des Kopfhaars und Bartes, weider auf. Man höre nun die Gründe derer, welche wollten, dass man die Priester dazu anhzalten sollte, sich den Bart rasiren zu lassen, und die Antworten darauf.

1) Die Priester, sagte man, müssen in allem, und also auch durch ihr vernachlässigtes Aeusseres, und durch die Verachtung, die sie gegen allen überflüssigen Zierrath beweisen müssen, Muster für die Menschheit seyn, und sich dadurch die Verachtung der Weltmenschen zuziehn; diess kann aber bey einem langen und mit Sorgfalt unterhaltenen Bart nie der Fall seyn.

Man antwortete, dieses Raisonnement treffe mehr das Haupthaar. Es schiene in der That der Anständigkeit mehr gemäss, es sich zu verschneiden, als es lang zu tragen. Im Gegentheil schiene nichts einem würdigen Aeusseren, das den Dienern der Kirche so wohl anstehe, so sehr zuwider zu seyn, als ein rasirtes und ein ganz basrtloses Gesicht; weil es sehr wahrscheinlich sey, dass die Sitte, sich das Kinn rasiren zu lassen, nur Weichlichkeit und Eitelkeit zum Grunde habe; und diess sey so wahr, dass diejenigen, welche sich das Gesicht zuerst hätten rasiren lassen, anfänglich als verweichlichte Menschen, ungeachtet sie sich übrigens durch vortrefliche Handlungen könnten achtungswerth gemacht haben, angesehen worden wären. Nur erst spät, das heisst 454, finde man Barbiere zu Rom. Scipio der Afrikaner sey, (wie auch oben bemerkt worden ist) der erste gewesen, welcher die Sitte, sich alle Tage rasiren zu lassen, eingeführt habe, und sie sey durch August zum Gegenstand des guten Tons gestempelt worden. Aber man dürfe glauben, diese Handlung sey nicht die schönste seines Lebens; auch werfe man diesem Römer vor, etwas zu viel der Weichlichkeit sich ergeben zu haben und in seinem Betragen zu affectirt gewesen zu seyn. Man habe sich sogar schon bey Gelegenheit jenes entscheidenden Zeitpunkts, wo die grosse Frage, ob man gegen Carthago zu Felde ziehen sollte, auf Entscheidung drang, über die sich aus Mangel an Mannszucht einreissende Erschlaffung beklagt. Was August betreffe, so hätten die zügellosen Verse, die er im Bad gedichtet, seinem Rufe weniger, als der zu häufige Gebrauch des Schermessers geschadet. Ob man denn nicht wisse, dass bey den Alten ein Gesicht ohne Bart und von zu abgemessen regelmässiger Form für eine weibische Phisiognomie gehalten worden sey? Mehrere Nationen hätten sich, (wie auch oben erwähnt worden ist) zum Kennzeichen, dass man trauerte, den Bart ganz rasirt. Und warum? Das sey deswegen geschehen, weil man es nur dem Charakter der Weiber angemessen gehalten habe, sich durch Unglück und Ungnade, in die jemand fiele, beugen zu lassen, und ein trauriges Aeussere eines Mannes unwürdig gewesen sey.

2) Man sagt ferner, einen Bart tragen, wäre für einen Priester ein Schimpf. Man sieht aber, erwiederte man hierauf, nicht ein, worauf ein solcher Vorwurf sich gründen kann. Sollte es der Bart an und für sich seyn? Aber was könnte ein Bart, wenn man ihn in Beziehung auf diesen Stand denke, schimpfliches haben? Diene er nicht dem Kinn und den Wangen gleichsam zur Bedeckung? Sey er nicht gleichsam des Mannes natürliche Zier? Auch hätten ihm die Lateiner den Namen Bekleidung (vestis) gegeben. Sie hätten ferner die jungen Leute vor den Jahren der Mannbarkeit mit einem Ausdruck benannt, welcher "nackt, unbekleidet seyn" bedeute. Nichts sey in guten lateinischen Schriftstellern gewöhnlicher, als dass sie sagten, die "Wangen mit Milchbart bekleiden" (genuas lanugine vestire), um dadurchauszudrücken, dass der Bart jemandem zu keimen angefangen habe.

Sey denn übrigens der Bart nicht das Kennzeichen, das Merkmahl, wodurch sich das männliche Geschlecht unterscheide? Auch habe ja Diogenes, der nie aufgehört habe, gegen diejenigen loszuziehen, die sich rasiren liessen, demjenigen, der ihn gefragt, warum er einen langen Bart trüge, geantwortet: "das thue ich darum, um nicht zu vergessen, dass ich ein Mann bin." Es sey daher ganz ohne allen Grund raisonnirt, wenn man eine Sache als etwas schimpfliches ansehe, die nur Kindern, Weibern, Verschnittenen und Weichlingen fehle, das heisse, wenn man Haar an Wangen und Kinn zu tragen für eine Schande halte.

3) Man setzte der Sitte, grosse Bärte zu tragen, mehrere geistliche Gesetze entgegen, die sie dem geistlichen Stande wirklich untersagten. Man führte nur als Beyspiel den Kanon des vierten Conciliums zu Karthago an, in Absicht welches man sich auf die Bestätigung desselben durch Papst Alexander den Dritten berief: "die Clerisey soll weder Kopf- noch Barthaar nähren." So führte man diese Worte des Kanons an.

Man antwortete dagegen: 1) es sey nicht wahr, dass die Kirchenversammlung zu Carthago dieses Verbot habe ergehen lassen, und der Canon, wie man ihn jetzt habe, sey verstümmelt; man müsse ihn so lesen, wie er sich in Gratian und in alten Manuscripten vorfinde. Clericus nec comam nutriat, nec barbam radat, "der Kleriker lasse sein Kopfhaar nicht wachsen, und hüte sich, sich den Bart zu rasiren." Auch sey das Dekret Alexanders des Dritten, das an den Erzbischoff von Kanterbury gerichtet sey, verfälscht; man habe das Wort Bart hinzugesetzt, und man müsse nicht lesen: clerici, qui barbam et comam nutriunt, "die Kleriker, welche ihren Bart und ihr Kopfhaar nähren"; sondern bloss: qui comam nutriunt, etiam inviti Archidiaconis suis tondantur; "die Archidiakone möchten dafür sorgen, dass auch diejenigen Geistlichen, welche ihr Kopfhaar wachsen liessen, selbiges, auch sogar wider ihren Willen abschneiden liessen." So lese man in dem Dekret des Conciliums zu Arles, woher das Dekret eigentlich seinen Ursprung habe.

Wirklich findet man mehrere Dekrete von Concilien und Päpsten, welche den Geistlichen ihr Kopfhaar abzuscheren gebieten, weil es weibisch liesse, wenn man sie lang und frisirt trüg; allein aus demselben Grunde, erwiedern sie, müsste man, weit entfernt, ihnen das Tragen eines langen Barts zu verbieten, ihnen vielmehr untersagen, sich zu rasiren und die Haare zu verschneiden. Um die Behauptung zu rechtfertigen, dass die angeführten Stellen verdorben seyn könnten, brachte man mehrere Beyspiele solcher Veränderungen bey, die eine gute Kritik und die Vergleichung der spätern Exemplare mit alten Manuscripten, die man nach Wiederauflebung der Wissenschaften anzustellen im Stande war, hat entdecken und verbessern können.

4) Die Römische Kirche, sagt man, muss die langen Bärte missbilligen, um die abtrünnigen Griechen nicht nachzuahmen; diess ist ein Grund, welcher die Veranlassung zu den Dekreten mehrerer Päpste gegeben hat, die es den Geistlichen der Lateinischen Kirche zur Pflicht machen, sich das Haar abzunehmen, um sich dadurch von den, der Römischen Kirche widerwärtigen Orientalern zu unterscheiden. Aber, entgegnete man, wer sieht nicht, dass nichts unbedeutender ist, als dieser Einwurf? Welcher Vortheil sollte dadurch für die Römische Kirche zu erwarten seyn? Im Gegentheil, habe man nicht die Erfahrung gemacht, dass diese Hartnäckigkeit, nichts von gewissen unbedeutenden Gebräuchen nachlassen zu wollen, und dagegen andere Gewohnheitn von wenig Belang für die Religion zu verdammen, das grösste Unheil in der Kirche verursacht habe, dessen Folge sie noch lange habe büssen müssen? Vielleicht wären Griechenland und der ganze Orient noch katholisch, wenn man mehr Nachgiebigkeit und Herablassung gegen die Gebräuche dieser Kirche, welche weder den Grund der Religion noch wesentliche Seiten derselben gefährdeten, gezeigt hätte.

5) Diejenigen, welche die Parthey des langen Barts nehmen, gestanden ein, man könnte einige Provinzialconcilien anführen, welche Gesetze gegen die Bärte der Priester hätten ergehen lassen; aber wären denn diese Gesetze, wie alle diejenigen, welche nur willkürliche Gebräuche zum Gegenstand hätten, nicht selbst der Veränderung unterworfen? Wie viel Maassregeln der Art, die ehmals volle Gültigkeit erhalten hätten, seyen nicht durch spätere Concilien oder durch eingetretene Veränderungen, oder durch andere Gründe des Wohlstands, der Bequemlichkeit, vielleicht selbst der Nothwendigkeit widerrufen worden? Und so sey es jetzt eine sehr tadelnswerthe Sonderbarkeit, diese alten Gebräuche einzig aus dem Grunde, weil man sie durch einige Concilien empfohlen finde, erneuern zu wollen. Was zu jener frühern Zeit der Analogie und dem Wohlstand des geistlichen Standes angemessen geschienen habe, würde jetzt eine ausgezeichnete Affektation seyn, welche diejenigen, die sich darnach in ihrem Betragen richteten, lächerlich und verächtlich mache.

Uebrigens finde man nicht, dass diese Gesetze, die man ihnen entgegen stelle, durch die souverainen Päpste bestätigt würden. Die Päpste, Julius der Zweyte und Clemenz der Siebente, hätten sie keine langen Bärte getragen? Wie viel Kardinäle, Bischöffe, Priester und sofort hätten nicht nach ihrem Beyspiele dasselbe gethan? Hierzu fügte man noch: wenn diese Streitsache für irgend ein Gericht, welches auch sey, gebracht würde, so würde man immer mehrere unter den Richtern finden, die lange Bärte trügen; man würde deren in dem Kollegium der Kardinäle, unter den Erzbischöffen und Bischöffen, in den Schulen der Theologen und in allen Ständen der Kirche und des Staats finden.

Welche Ungestalt, sagt man, welche Unreinlichkeit bey einem langen Bart. Wenn derselbe ein Zeichen von Traurigkeit sey, so müssten die Priester, vorzüglich in Zeiten, wo die Welt mit Unglückgsfällen überhäuft sey, trauern. Sey er ein Kennzeichen gesetzten Charakters und eines würdigen Betragens, warum sollte man dessen die Priester berauben? Der Bart sey etwas natürliches, durch das Gesetz der Natur gebilligtes; das Mosaische Gesetz habe ihn erlaubt; das Gesetz der Gnade habe ihn nie verdammt; die Sitte der Heiligen und der achtbarsten Menschen spreche für ihn. Sollte einmahl hierüber eine Verordnung zu Stande kommen, so wäre es diesem Zweck gemässer, es jedermann zur Pflicht zu machen, sich rasiren zu müssen; nicht, dass man bloss den Geistlichen das Tragen ihres Barts untersagen wollte.

Diess sind die Hauptgründe, welche im sechzehnten Jahrhundert diejenigen beybrachten, welche es dahin zu bringen suchten, dass die Diener der Kirche sich gegen den fast allgemeinen Gebrauch, der damahls unter der Geistlichkeit in Ansehn war, den Bart rasiren lassen müssten; da gleichwohl derselbe durch das Beyspiel der Päpste selbst, durch das Beyspiel mehrerer Kardinäle und Bischöffe, von denen der grösste Theil auf alten Denkmünzen, die uns von ihnen noch übrig sind, mit langen Bärten vorgestellt wird, in Schutz genommen wurde. Man darf glauben, dass Pierius Valerius, der die Sache der Bärte so gut vertheidigt hat, selbst Interesse an dem Gegenstande seiner Vertheidigung genommen habe, und dass sein langer Bart, den er liebte, ihm die Vertheidigung dieser männlichen Zierde mit so viel Muth habe führen lassen. Die Antworten, die er auf alle Gründe gab, welche man gegen den eingeführten Gebrauch der langen Bärte erhob, haben nicht bloss den Zweck, ihn zu rechtfertigen; er beweisst sogar dem Papst, den Kardinälen, und allen, die der berüchtigten Bulle, die ihn stürzen sollte, mit gespannter Erwartung entgegen sahen, dass nichts schöner für einen Mann, nichts ehrwürdiger für einen Priester, nichts angemessener für die Religion, für Natur und Gesetz sey, als wenn man einen Bart trüg.